Die Geschlechtsreife

Die Geschlechtsreife kann bei den Hunden als „Pubertät” definiert werden und geht oftmals auch mit Verhaltensänderungen einher. Im direkten Vergleich erreichen kleinere Hunde oftmals viel früher den Zeitpunkt der Geschlechtsreife als größere Rassen.

Rüden werden zumeist zwischen dem sechsten und achten Lebensmonat geschlechtsreif. Bei Hündinnen datiert die Geschlechtsreife auf den 6. Bis 15. Lebensmonat. Das sind große Veränderungen für den Hund, denn sie werden von einem Welpen zu einem erwachsenen Hund.

Grundsätzlich sind Hunde Individuen und bilden ihre Geschlechtsreife unterschiedlich aus.

Geschlechtsreife bei Rüden

Während der Entwicklung im Mutterleib beginnen bei den Rüden im Normalfall die Hoden von der Gegend der Nieren in Richtung Hodensack zu wandern. Sie folgen einen Strang, der die Hoden dahin leitet. Die Hoden passieren den noch geöffneten Leistenkanal, und kommen schlussendlich im Hodensack.

Es ist keine Ausnahme, falls der Hodenabstieg des Rüden innerhalb der normalen 6-10 Wochen noch nicht vollendet ist. Dennoch solltet ihr es beobachten und mit euren Tierarzt besprechen.

Es kommt aber auch vor, dass der Hodenabstieg beim Rüden erst etwas später erfolgt. Es kann bei einer Abgabe der Welpen im Vorhinein nicht aussagekräftig prognostiziert werden, wann und ob die Hoden absteigen.

Mit dem Eintritt der Pubertät mit ca. einem Alter von 6-8 Monaten sollten die Hoden jedoch abgestiegen sein, später ist ein Hodenabstieg in der Regel nicht mehr möglich zumal der Leistenkanal sich verschließt.

Es kann jedoch auch passieren, dass einer oder beide Hoden nicht absteigen. Das passiert aus verschiedenen Faktoren. Fakt ist aber, dass ein fehlerhafter Hodenabstieg beim Hund genetisch bedingt ist. Bestimmte Rassen wie Deutscher Boxer, Deutscher Schäferhund, Yorkshire Terrier, Chihuahua, Zwergschnauzer, Puder, Dackel usw sind häufiger von Kryptorchismus betroffen.

Der im Bauchraum verbliebene Hoden haben im späteren Alter ein erhöhtes Tumorrisiko. Die Hunde in der Regel sollten kastriert werden, und die Hoden aus dem Bauchraum entfernt werden. 

Wenn der Hodenabstieg auf beiden Seiten nicht geschehen ist, kann der Rüde keine Spermien produzieren. Der Rüde hat aber einen Geschlechtstrieb gleichermaßen. Wenn nur ein Hoden im Bauchraum oder im Leistenkanal geblieben ist, kann der Rüde zwar Nachwuchs zeugen, es ist aber aufgrund der Erblichkeit ein Zuchtausschlussgrund.  

Neben dem Hodenabstieg ist ein einsetzendes Markierverhalten zwischen dem 5-8 Lebensmonat ein Zeichen für die Geschlechtsreife des Rüden. Weiterhin ist generell ein pubertärer Verhalten bei den Rüden zu spüren – er testet seine Grenzen und stellt Rangordnungen in Frage. Es tritt bei jungen Rüden zu Beginn der Geschlechtsreife häufig ein verstärktes aufreiten auf. Es kann passieren dass er Menschenbeine, Stofftiere, andere Hunde (vor allem Jungrüden) besteigt. In dieser Phase sehen viele verzweifelte Besitzer die Kastration als letztes Mittel. Es ist jedoch zu beachten, dass Kastration kein Wundermittel ist und in jedem Einzelfall gut überlegt werden muss.

Der Geschlechtstrieb des Rüden geht oft nach Ende der Pubertät deutlich zurück. Er benötigt währen dieser Phase Kontrolle und Konsequenz, somit wird er nach der Geschlechtsreife deutlich ruhiger.

Dennoch ist die Geschlechtsreife nicht mit der Zuchtreife identisch, wenn der Rüde geschlechtlich und körperlich in der Lage ist in die Zucht eingesetzt zu werden. Mit einem halben Jahr oder 8 Monate wäre der Rüde noch nicht vollständig entwickelt – daher schreibt der Landesverband und/oder das rassebetreunde Verein ein Mindestalter für den ersten Zuchteinsetz vor.

Geschlechtsreife bei der Hündin

Die erste Läufigkeit ist das deutlichste Anzeichen für die Geschlechtsreife der Hündin. Die meisten Hündinnen haben ihre erste Hitze zwischen dem 6-15 Lebensmonat.

Es kann aber auch Einzelfällen bis zu dem 20 Monat dauern, bis eine Hündin läufig wird. Generell können wir feststellen, die Hündinnen erreichen bevor sie geschlechtsreif werden ca 2/3 ihres Gesamtgewichtes.

Die erste Läufigkeit kann noch wenig ausgeprägt sein, daher ist die oft nicht sofort zu merken. 

Ist die Hündin einmal geschlechtsreif, folgen in der Regel 2 Läufigkeiten im Jahr. Durchschnittlich ist ein Abstand von 6-8 Monaten zwischen der Hitzen. Doch auch dabei gibt es Ausnahmen. Jede Hündin hat ihren individuellen Zyklus.

Bei einigen Rassen sind die Intervalle sogar unterschiedlich ausgeprägt – zum Beispiel wird der Basenji oder der Thai Ridgeback wie die Wölfe, nur einmal im Jahr läufig.

Die Läufigkeit ein natürlicher Vorgang bei geschlechtsreifen Hündinnen und hält bis zum hohen Alter an.

Wie bereits erwähnt, die erste Läufigkeit bei der Hündin muss noch nicht ganz ausgeprägt sein und typisch verlaufen. Da die Hündin erst geschlechtsreif wird, und noch nicht ganz fertigentwickelt ist kann es zu einer stillen Läufigkeit kommen. Dabei sind trotz der hormonellen Änderungen keine Äußere Zeichen wie anschwellen der Vulva oder Ausfluss sichtbar. So kann die Hündin ganz unbemerkt läufig werden. In anderen Fällen treten zwar die typischen Anzeichen auf, die auch von außen sichtbar sind, klingen aber nach paar Tagen ab und tauchen wieder auf – das ist die sogenannte Split-Läufigkeit.

Je besser wir uns mit der Läufigkeit unserer Hündinnen auskennen, desto stressfreier kann diese Zeit generell zweimal im Jahr werden.

Schon bevor eine Hündin läufig wird können wir in ihrem Verhalten merken: sie markieren öfter als sonst. Sie heben sogar in Hocke teilweise das Bein und setzten ihre Duftmarken alle paar Schritte. Die Rüden reagieren schon vorab interessiert und schnüffeln an der Hündin. Die Rüden zeigen oft dabei eine Art flirten mit hochgezogenen Ohren vor der Hündin, mit den Beinen trampelnd.

Viele Hündinnen sind wenn sie läufig sind wie ausgewechselt. Sie sind schlechter abrufbar und versuchen in jedem einen potenziellen Partner zu sehen. Sie sind unruhiger, und finden auch keine Ruhe. Manche Hündinnen werden dagegen anhänglicher und fordern noch mehr Streicheleinheiten wie sonst. Sie schlafen mehr, wirken etwas melankolisch und faul.

In der Regel putzen sich Hündinnen während der Läufigkeit sehr ausgiebig. Wobei es natürlich auch von der Stärke der Blutung auch abhängig ist. Bei Bedarf kann man der Hündin ein Läufigkeitshöschen anziehen, um zu verhindern dass der Ausfluss auf Textilien landet. Es ist wichtig, das Höschen der Hündin bereits vor der Läufigkeit zu angewöhnen.

Die wichtigste während der Läufigkeit der Hündin ist sie (vor allem an den Stehtagen) von unkastrierten Rüden zu fernhalten. Die Hündin sollte derweil nur an der Leine spazieren gehen, und am besten solltet ihr Orte meiden wo viele andere Hunde sich aufhalten. Am besten die während des Spaziergangs entgegenkommenden Hundebesitzer im Voraus warnen, dass ihr eine läufige Hündin dabei habt. Die Hündin riecht für die Rüden nicht nur während ihrer Stehtage sehr interessant. Auch vor und nach dem Eisprung können Rüden die Hündinnen bedrängen, was für alle Beteiligten sehr stressig ist.

Die Scheinträchtigkeit

Die Scheinträchtigkeit ist keine Krankheit sondern eine hormonell bedingte emotionale und Körperliche Veränderung bei der Hündin.

Dass unsere Hündinnen nach der Läufigkeit eine Scheinträchtigkeit entwickeln, liegt an deren Erbgut. Zurückblickend zu der Wölfe und deren Rudelleben. Die Wölfe leben in Rudeln zusammen, in denen gibt es eine feste Hierarchie. Jede Position in einer Rangordnung ist mit Rechten aber auch Pflichten im Rudelleben verbunten. Nur die Leitwölfin darf Jungen bekommen. Die Jungen werden aber vom gesamten Rudel versorgt. Wölfinnen, die keine Jungen haben kümmern sich um den Nachwuchs und säugen ihn auch. Die Wölfinnen produzieren Milch durch den Anstieg des Hormons Prolaktin. Eine scheinträchtige Wölfin – genau wie bei unseren Hündinnen – zeigt nach 4-8 Wochen der Läufigkeit das gleiche Hormonniveau wie eine trächtige Wölfin – oder Hündin. Wölfinnen haben in einem Rudel einen saisonabhängigen Zyklus, somit ist es gewährleistet dass bei der Geburt der Jungen die anderen Wölfinnen auch als Ammen sich einstellen können.

Auch wenn unsere Hündinnen dieses Verhalten nicht mehr brauchen, kann es bei allen Hündinnen zu einer Scheinträchtigkeit kommen. In der Tat sind kleinere Hunderassen häufiger betroffen als große.

Eine scheinträchtige Hündin fühlt sich als werdende Mutter, und zeigt typische emotionale und körperliche Veränderungen. So tragen die scheinträchtigen Hündinnen nach 8-9 Wochen nach der Läufigkeit – wo eine gedeckte Hündin ihre Welpen bekommen würde – oft Spielsachen, Stofftiere usw zusammen als wären diese Ersatzwelpen. Sie zeigen Nestbauverhalten, bemuttern, bewachen und beschützen diese Ersatzwelpen. Die Hündinnen sind oft unruhig oder sehr anhänglich, manche tendieren zur Aggressivität. Einige wollen sich von dem Nest nicht bewegen und verweigern sogar das Futter.

Neben diesen emotionalen Veränderungen kommen auch körperliche dazu. Die Milchdrüsen schwellen an, und es kommt zu einer Milchproduktion vor allem wenn das Gesäuge oft geleckt wird. Bei starker Milchproduktion besteht die Gefahr eines Milchstaus oder sogar einer Gesäugenentzündung.

Durchschnittlich dauert die Scheinträchtigkeit 2-3 Wochen, bis zu 30 Tage.

Bis zu einem gewissen Grad können wir die Scheinträchtigkeit als normal bezeichnen. Jedoch leben sich manche Hündinnen so stark in ihre Mutterrolle hinein, dass sie und ihre Umgebung darunter leiden.

Die beste Lösung um die Symptome zu mindern ist Ablenkung: häufiges Spazierengehen, mehr Bewegung, Wegräumen von Spielsachen. Bemitleiden oder viel zu viel Zuwendung kann die Muttergefühle noch verstärken. Es soll verhindert werden, dass die Hündin an Gesäuge leckt damit sie die Milchproduktion nicht zusätzlich anregt. Jegliche Manipulation, Massagen oder das Ausdrücken von Milch regen die Milchbildung zusätzlich an. Meistens geht diese nach einigen Wochen von selbst zurück, und das Gesäuge verkleinert sich wieder. Am besten die Futtermenge während einige Tage reduzieren und somit vergeht die Scheinträchtigkeit schneller.

Wenn die Hündin aber sehr apatisch wirkt, Aggressivität zeigt oder die Milchproduktion zu sehr ansteigt soll sie am besten dem Tierarzt vorgestellt werden. Dieser kann mit homöopatischen Mitteln und mit einem Prolaktin-Hemmer der Hündin helfen.

Bei Hündinnen die zu sehr ausgeprägt unter Scheinträchtigkeit leiden muss man über einer Kastration auch nachdenken. Jedoch ist die Kastration keine Sofortmaßnahme während einer Scheinträchtigkeit. Wenn die Eierstöcke entwernt werden, fällt von einem Moment auf den anderen der Progesteronspegel ab. Dadurch steigt genauso schnell das Prolaktinniveau – somit kommt es bei einer sofortigen Kastration zu recht ausgeprägter Scheinträchtigkeitssymptome.

Weil der Scheinträchtigkeit keine hormonellen Fehlfunktionen zugrunde liegen, kann man in wenig ausgeprägten Fällen abwarten, bis die körperlichen und die Verhaltensauffälligkeiten von selber zurückgehen. Nicht zwangsläufig tritt die Scheinschwangerschaft im nächsten Zyklus wieder auf. Allerdings sind die Symptome nach jeder Läufigkeit ähnlich stark.

Die Kastration

Die Kastration wird oft als Allheilmittel für Verhaltensprobleme gehalten und es wird stark dafür geworben – egal ob wegen Aufreiten, Unfolgsamkeit, „Dominanz”. Die Kastration kann einigermaßen Probleme lösen, aber auch neue entstehen lassen.

Die Kastration ersetzt keine Hundeerziehung und keinTraining.

Die meisten Hundebesitzer erhoffen von der Kastration eine Lösung für Verhaltensprobleme, die meistens weniger hormonelle Probleme sind. Kastrierte Hunde legen ihre Verhaltensgewöhnheiten nach einer Operation oder hormoneller Behandlung nicht ab. Sie zeigen weiterhin deren Antipathie gegenüber andere Hunde, zeigen Erziehungsschwachstellen, und sie agieren auch geschlechtstypisch. Sie können durch der Kastration aber auch ängsliches Verhalten entwickeln, da der körpereigene Hormon dann fehlt.

Bevor man zu der Kastration greift (sei es nicht aus medizinischen Gründen oder wegen ungewollter Fortpflanzung Streunerhunde) es ist wichtig den Hund als Individuum zu analysieren – mit seinen Unsicherheiten, mit seinen sozialen Kompetenzen und verhaltensbeeinflussende Faktoren.

Sie als Besitzers sind dabei gefragt vor einer Kastration euch Gedanken zu machen, mit Einbezug von Ihrem Tierarzt, Hundetrainer aber auch Ihrem Züchter. Es ist sehr wichtig, dass Sie sich über Zweck und Sinn der Sexualhormone bei den Hunden informiert.

Eine Kastration bewirkt eine positive Veränderung erst dann wenn dieser eine Hund, egal welches Geschlecht ein echtes Problem mit Sexualhormonen hat. Ein Hund wird durch einer Kastration weder „braver” noch „verträglicher” – bitte erwartets keinen Wunder von einer Operation oder vom Einsetzen von einem Hormonchips.

Pro Kastration

o   Fortpflanzungskontrolle

o   Medizinische Gründe: Pyometra, Prostataerkrankungen, Gesäugetumore, Hodentumore, Einhodigkeit, Brüche im Leistenspalt oder neben dem After, Tumore rund um den After, Entzündungen der Vorhaut, Scheinträchtigkeiten mit ausgeprägten Verhaltensveränderungen

o   Spezielle durch Sexualhormone gesteuerte Verhatensprobleme: sexuelle Hyperaktivität, Markieren im Haus, Streitsuchtigkeit der Rüden wenn Hündinnen läufig sind, „Zickigkeit” und Überempfindlichkeit der Hündinnen während der Läufigkeit

Contra Kastration

o   Medizinische Nebenwirkungen: erhöhtes Risiko auf Mastzelltumore, Herztumorerkrankungen und Milztumore, Knochentumore, Lyphomen, Inkontinenz und Blasentumore, Dysplasien und Kreuzbandrisse, Diabetes, Übergewicht und Fellveränderungen

o   Mögliche Verhaltensveränderungen und Verhalten wo eine Kastration eventuell das eher schlimmer macht: Störungen in der Stubenreinheit, generelle Aggression gegenüber anderen Hunde, generell weniger Interesse und Aufmerksamkeit bei Gehorsam, aufreiten auf verschiedene Gegenstände, anderen Hunde und Menschen, Ressourzenverteidigung

Frühkastration oder Spätkastration?

Der Zeitpunkt einer Kastration bei der Hündin ist ein oft bestrittenes Thema.  

Eine Kastration vor der Geschlechtsreife, sprich vor der ersten Läufigkeit nennt man Frühkastration.

Vorteile: reduziertes Risiko für Gesäugetumore, der Sexualtrieb kommt gar nicht auf, Läufigkeit und Scheinträchtigkeit bleiben der Hündin erspart. Frühkastrierte Hündnnen bleiben oft verspielter und friedlicher.

Nachteile: die Hündin entwickelt keine gesunde Geschlechtsidentität, was zu bei manchen Hündinnen Schwierigkeiten mit anderen Hunden und zu Verhaltensauffälligkeiten führen kann. Die Entwicklung der Hündin wird abgebrochen, sie wird sich nicht zu einer reifen, erwachsener Hündin entwickeln, so wohl physisch als auch psychisch. Größeres Risiko für Harninkontinenz. 

Eine Kastration nach der ersten bzw. zweiten Läufigkeit nennen wir Spätkastration.

Vorteile: die Hündin entwickelt sich völlig zu einem erwachsenen Hund, ist reifer und hat eine gesunde Geschlechtsidentität.  Nachteile: die erst nach der zweiten Läufigkeit kastriert werden, haben ein deutlich höheres Brustkrebsrisiko. Fellveränderung kommt öfter bei spätkastrierten Hündinnen auf als bei Frühkastrierten.